Werbung ist für viele nervig und spätestens auf Bild.de sieht man, welche Auswirkungen der Adblocker mit sich bringt. Denn wer diese bei sich aktiviert hat, kann die Inhalte der Boulevard Zeitung nicht lesen.
Werbetreibende müssen viel probieren, um die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen zu erreichen. Die Arbeit mit Influencern, wie beispielsweise mit Bloggern und Social-Media-Größen, ist ein attraktiver Weg für Marken, um Teil der Kaufentscheidungen ihrer Zielgruppe zu werden. Und das ist inzwischen ein richtiges Geschäft. Vor einigen Jahren wurden Modeblogger auf Fashionweeks noch belächelt, heute gelten sie zum Who is Who der Szene.
Die Italienerin Chiara Ferragni ist da das beste Beispiel. Ihre Karriere hat sie mit ihrem Blog The Blond Salad gestartet. Heute ist sie mehrfache Millionärin mit einer eigenen Modelinie und einem Unternehmen inklusive Angestellter im Rücken. Wer Ferragni für sein Event gewinnt, kann davon ausgehen, dass ihr zahlreiche Fans ihrer 9,7 Millionen Follower auf Instagram aufmerksam folgen und die erwähnten Produkte zur Kenntnis nehmen.
Ähnliches gilt für die deutsche Influencerkönigin im Bereich Fitness Pamela Reif. Sie preist auf Instagram ihren 3 Millionen Followern alles an, was auch nur im entferntesten mit ihrem Thema zu tun hat. Neben Kooperationen mit Puma, Hunkemöller und Herstellern von Tees oder Riegeln hat sie auch ein eigenes Buch und eine App auf den Markt gebracht. Brand is everywere und Unternehmen zahlen dafür, als Kooperationspartner einen Teil ihrer Markenpopularität abzubekommen. Andersherum kann es aber auch laufen. So legen Unternehmen bereits auf ihrer Website fest, dass eine Kooperation nur dann zustande kommt, wenn eine bestimmte Fan- und Followerzahl vorhanden ist.
Dabei sollte das Ziel sein, nicht mehr, sondern die richtigen Leute zu erreichen. Und zwar die, die sich auch mit dem Produkt identifizieren und es glaubwürdig vertreten können, wie auch Depp Patal in „Why Influencer Marketing will Dominate 2017″ schreibt.
Große Reichweite bedeutet nicht relevante Reichweite
Bei der Arbeit mit Influencern geht es darum, die übereinstimmenden Werte und Vorstellungen von Marken und Influencern zu nutzen. Ich empfehle, hierfür einen klaren thematischen Rahmen zu stecken und eine gemeinsame Kampagne, am besten über einen längeren Zeitraum zu planen. Wie das aussehen kann, zeigt die Zusammenarbeit mit Tanja Cappell aka Frau Hölle und Microsoft in diesem Jahr. Tanja Capell hat sich über Jahre einen Namen im Bereich Lettering, Sketchnotes und Illustrationen erarbeitet und ist auf Instagram sehr aktiv. Auch ich sehe ihre Stories und bin eine von über 67.000 Followern und mag ihre Art dort zu kommunizieren sehr. In ihrem Fall ist die Arbeit mit Herstellern und Anbietern von Stiften, Papier und anderen kreativen Materialien absolut glaubwürdig und nachvollziehbar.
Im Fall von Microsoft ging es um das Surface Studio, ein digitales Zeichenbrett, das sich auch für Künstler eignet und von Cappell beispielsweise auf der diesjährigen re:publica am Stand von Microsoft vorgestellt wurde. Auf der Konferenz konnte Frau Hölle auch von anderen Lettering-Fans besucht werden, um gemeinsam zu lettern und Fotos zu machen. Eine tolle Gelegenheit für alle, die einmal ihr Vorbild aus den Instagram Stories live erleben und gleichzeitig das Surface Studio ausprobieren wollten. Oder anders ausgedrückt: Eine klassische Win-win-Situation für den Influencer, das Unternehmen und die potenziellen Kunden.
Dagegen verpufft eine solche Wirkung, wenn Influencer in loser Abfolge Produkte in die Kamera halten, ohne dass ein langfristiger Wiedererkennungswert für die Marke entsteht. Dazu kommt: Die Zahl an Followern und Fans sagt nichts über die Interaktion und den Einfluss auf die Kaufentscheidung aus. Bei manchen Accounts wundert man sich, wie in so kurzer Zeit Fanzahlen ins Unermessliche steigen können.
Dass da kein organisches Wachstum hinter steht, beschreibt André Krüger sehr anschaulich in „Das Influencer Marketing ist kaputt“. Dass sich Instagramer gegenseitig animieren, die eigenen Beiträge zu liken und zu kommentieren, um so eine bessere Sichtbarkeit zu erhalten, gehört hier fast schon zum guten Ton. Der Algorithmus tut dann sein Übriges dazu, über den Wert dieser Likes sagt das allerdings wenig aus. Unternehmen, die Teil dieser Blase sind und hier Individualismus suchen, werden lediglich austauschbaren Content finden.
Beziehungen brauchen Zeit, auch im Influencer Marketing
Ich finde, Magdalena Rogl, Head of Digital Channels bei Microsoft, bringt es sehr schön auf den Punkt, wenn sie über die Arbeit mit Influencern spricht: „Sie geben einem Unternehmen Gesicht und Charakter. Das ist heute wichtiger als je zuvor, denn Kommunikation wird durch Social Media zunehmend persönlich.“
Damit wird deutlich: Es geht hier um Menschen und damit auch um Beziehungen. Je enger diese gestaltet sind, desto glaubwürdiger wirken sie auf andere. Es hat seinen Grund, dass beispielsweise Sportmarken mit ihren Testimonials oft Verträge über mehrere Jahre abschließen. Je näher der Sportler der Marke ist und je eher er/sie sich mit ihr identifiziert, desto eher sind Anhänger bereit, der Marke Aufmerksamkeit zu widmen und sie als Ausdruck ihres eigene Lebensstils zu sehen.
Ein anderes Beispiel für die Älteren unter uns: Wer erinnert sich noch an Tilly und den Weißen Riesen? Oder an Gottschalk und Haribo? Ich glaube, ich kenne kein anderes Produkt, das er je in die Kamera gehalten hat, und wenn das so war, dann kann ich mich einfach nicht daran erinnern. Für mich bedeutet Gottschalk = Gummibärchen.
Warum es sinnvoll ist, sich Influencer zu suchen, die nah an ihren Followern sind, beschreibt der Artikel „Klein, aber oho: Warum sich die Arbeit mit Micro-Influencern auszahlt“. Hier wird festgestellt, dass Instagramer mit unter 1.000 Followern eine Like-Rate von etwa 8 Prozent haben. Alles darüber sinkt nur noch.
Ein Beispiel: Pamela Reif hat 3 Millionen Follower auf Instagram. Wer sich ihre Bilder und Videos ansieht, stellt schnell fest, dass ihre Likes zwar die 120.000-Marke oftmals locker überschreiten, aber im Verhältnis zur Zahl der Abonnenten gering ist. Das ist natürlich nur eine grobe und unscharfe Betrachtung. Ich kenne weder Interaktionsraten noch Conversion-Zahlen. Dennoch zeigt sich, dass a) nicht alle Abonnenten erreicht werden und b) es keine spezifische Zielgruppe gibt.
Was können Unternehmen, Verbände sowie kleine und mittelständische Unternehmen also tun, um den für sich relevanten Influencer zu finden?
Zuallererst: Weg vom Denken und Suchen nach Reichweite. Ich halte es da wie André Krüger, der in „Das Influencer Marketing ist kaputt“ sagt, dass es viel sinnvoller ist, mit Influencern zu arbeiten, für die man selbst eine Love Brand ist. Da draußen sind tolle Blogger, Instagramer, Youtuber etc., die vielleicht nicht 10.000 Abonnenten haben oder sogar unter 1.000 Fans liegen, aber schon immer mal mit „ihrer“ Marke zusammenarbeiten wollten. Ich denke da an bestimmte Foodblogger, von denen ich weiß, dass sie große Lust auf eine langfristige Kooperation beispielsweise mit einem Küchenhersteller haben.
Darum meine Tipps:
- Weg von der Reichweite. Sie ist Schall und Rauch. Viel wichtiger ist es zu prüfen, wie der Influencer mit seinen Fans und Followern interagiert. Was sind seine Themen und wie bereitet er sie auf? Wie viel Herz und Leidenschaft steckt darin und vor allem die Frage: Kommt das auch rüber?
- Die Suche nach dem/den richtigen und passenden Influencer/n ist ein Prozess. Die Zeit sollte vorhanden sein. Geschäftspartner sucht man sich ja auch nicht zwischen Tür und Angel, sondern prüft sie sorgfältig.
- Die Arbeit mit Influencern sollte langfristig erfolgen. Unterschiedliche Personen in kurzen Abständen schaden der Marke. Thomas Gottschalk und die Gummibärchen waren fast so etwas wie eine Ehe.
- Influencer sind nicht zwangsläufig junge Menschen. Influencer gibt es in jedem Lebensalter. Darum lohnt sich ein Blick über den Tellerrand. Das Gleiche gilt auch für die Auswahl der Kanäle. Wer Ü50 einsetzt, ist vielleicht weniger auf Instagram erfolgreich und vielmehr im TV.
- Auch Influencer sollten bezahlt werden. Wer TV-Werbung und Print schalten kann, der kann auch mehr als 500 Euro für die Zusammenarbeit mit Bloggern bezahlen. Aufmerksamkeit geht nur durch gute und glaubwürdige Arbeit und die passiert nicht einfach so. Set-ups müssen gebaut, Bilder gemacht und bearbeitet, Artikel geschrieben und verlinkt werden – und das Community-Management kostet Zeit. Wer verkaufen will, der sollte auch seine Partner daran teilhaben lassen.
Fazit
Im Kampf um Aufmerksamkeit und gegen Adblocker bietet die Arbeit mit Influencern eine tolle Möglichkeit, um näher an die anvisierte Zielgruppe zu kommen und dort wahrgenommen zu werden. Das Problem ist, dass sehr große Influencer über eine hohe Reichweite verfügen und damit sehr attraktiv für Unternehmen sind, die dort ihre Produkte und Dienstleistungen präsentiert haben möchten. Daraus ist ein Geschäft entstanden, dass sich durch stetig wechselnde Kooperationspartner, die mit ihren Produkten und Angeboten austauschbar werden, auszeichnet.
Ein weiteres Problem ist, dass die reichweitenstarken Influencer nur einen geringen Prozentsatz ihrer Abonnenten erreichen und gar nicht so sichtbar sind wie erhofft. Im Gegensatz dazu sind Micro-Influencer nah an ihren Fans und Followern, denn sie verfügen über eine enge Bindung zu ihnen. Viel sinnvoller wäre es aus Unternehmersicht, darauf zu achten, welche Influencer konkret zur Marke passen, denn nur dann wirkt ein Partner auch glaubwürdig. Das ist die entscheidende Voraussetzung, um die anvisierten Ziele auch dauerhaft zu erreichen.
Wenn du dich stärker mit dem Thema Influencer Marketing beschäftigen willst, dann empfehle ich dir das Influencer Marketing Barcamp am 23.09.2017 in Hamburg. Weitere Infos und Details folgen noch. Aktuelle werden noch Sponsoren gesucht! Wer also Interesse sich dort als Sponsor zu etablieren, der kann sich an die Organisatoren Johannes Lenz und Sachar Klein wenden. Mehr zu dem Thema findest du auch unter dem Hashtag #imcamp17
Zum Thema Influencer Marketing bzw. Blogger Relations habe ich weitere Artikel geschrieben, die für dich vielleicht interessant sind:
Blogger Relations für Unternehmen: Wer nicht fragt, bleibt dumm
Blogger Relations für Unternehmen: Wie man Blogger richtig anspricht
Blogger Relations für Unternehmen: Wo nach Bloggern suchen?
Pingback: Sessiondokumentation 2020 (6) – How to Blog - WelcomeCamp Berlin
Danke für diesen sehr lesenswerten Beitrag zum Thema Influencer Marketing! 🙂
Ich danke dir für dein Feedback und freue mich sehr, dass dir der Artikel gefällt!
Pingback: Warum du niemals Influencer wirst I bloggerabc
Pingback: Quick Search von Talkwalker: Social-Media-Monitoring leicht gemacht I bloggerabc
Pingback: Storify-Review zum Influencer Marketing Camp - über die Relevanz der Followerzahl, Fake-Influencer und die Wunschliste einer Influencerin - espresso digital
Pingback: Checkliste für die Erarbeitung einer effizienten Social-Media-Strategie
Danke für Deinen Hinweis zum Influencer Marketing-Barcamp. Leider müssen wir das Camp um eine Woche verschieben – auf den 23. September.
Hallo Sachar,
danke für den Hinweis. Ich korrigiere das Datum im Artikel.
Viele Grüße Daniela
Pingback: Erfolgreiche Online PR: (VII) Start der Online-Kampagne - Online PR Guide
Relevanz statt Reichweite! Ja!
Mit Deiner Kernaussage sprichst Du mir aus der Seele. Hoffen wir, dass die Botschaft sich schnell verbreitet und die Reichweite als Währung im Influencer Marketing von Werten wie Engagementrate und Relevanz abgelöst wird.
Hallo Eddy,
mal abwarten, wie sich alles entwickelt. Mein Eindruck ist, dass es immer um die Superlative geht: Mehr Reichweite, mehr Engagementrate, mehr mehr mehr… Ich würde mich darüber freuen, wenn ein entspanntes Verhalten eintreten würde, damit sich alles mal wieder normalisiert. Geld, Umsatz und Gewinn sind gut und wichtig. Meines Erachtens aber nicht alles. 🙂