Blogger und Journalisten haben vieles gemeinsam. Und dennoch findet man im Netz zum Teil erbitterte Auseinandersetzungen darüber, wann journalistisches Arbeiten in Blogs als „echter Journalismus“ zu werten ist und wann nicht.
Viele Journalisten bloggen selbst. Andere setzen alles daran, sich von der (extrem heterogenen) Gruppe „der Blogger“ abzugrenzen, anstatt sich mit den Möglichkeiten des digitalen Wandels konstruktiv auseinanderzusetzen. Dabei können beide Seiten eine Menge voneinander lernen.
Der heutige Gastbeitrag ist von Edda Klepp. Edda ist freie Autorin, Online-Marketerin, Redakteurin und Lektorin für bloggerabc. Mehr über sie erfährst du in ihrer Autorenbox. Ich freue mich sehr über ihren Beitrag und wenn du noch Fragen hast, dann schreib sie einfach in die Kommentare. Edda wird dir gerne antworten.
Die Grenzen zwischen den Genres werden fließender
Spätestens seit netzpolitik.org vom Generalbundesanwalt ins Visier genommen wurde, zweifelt kaum jemand daran, dass Blogs professionelle Standards erfüllen können. Umgekehrt gibt es natürlich viele Hobbyblogger, die mitnichten von sich behaupten würden, ein Profi zu sein. Dazwischen gibt es viele Grautöne. Und, nebenbei bemerkt, erfüllt auch nicht jeder Journalist automatisch die Ansprüche, die er in seiner Kritik an Blogger stellt. Meines Erachtens werden die Grenzen dessen, was als professioneller Journalismus zu gelten hat, und dessen, was innerhalb der Blogosphäre geschieht, immer fließender.
Hinzu kommt, dass online neue Formate entstehen, die sich nicht immer nach bisherigen Maßstäben messen lassen. Ähnlich verhält es sich übrigens mit dem Verhältnis von Public Relations und Bloggern, aber das ist ein anderes Thema. Ich möchte mich heute mit einigen Aspekten beschäftigen, die für die journalistische Arbeit von zentraler Bedeutung sind und von denen du als Blogger für deine Arbeit etwas mitnehmen kannst.
Den Nachrichtenwert beurteilen
Nicht jeder Blogger möchte fortwährend mit Neuigkeiten punkten. Es kann durchaus reizvoll sein, zeitlose Themen aufzugreifen oder über Vergangenes zu reflektieren. Hast du jedoch den Wunsch, aktuell zu sein und als jemand wahrgenommen zu werden, der „mit der Zeit geht“, ist es wichtig, den Wert einer Nachricht beurteilen zu können bzw. zu wissen, was eine Nachricht überhaupt ist. In ihrem „Handbuch des Journalismus“ (4. Aufl., Sept. 2000) definieren Wolf Schneider und Paul-Josef Raue eine Nachricht folgendermaßen:
„Die Nachricht ist eine faire und verständliche Information über Tatsachen, die für Leser und Hörer erstens neu sind (zugespitzt im englischen Wort für die Nachricht, news) und zweitens eines von beiden: wichtig (und das heißt oft auch interessant, doch durchaus nicht immer) oder interessant, selbst wenn das Ereignis mich nicht betrifft, zum Beispiel ein Schneesturm in Florida.“
Vor allem die Unterscheidung der letzten beiden Eigenschaftswörter solltest du dir genauer anschauen. In der Blogosphäre tauchen für „Wichtiges“ häufig die Begriffe „Mehrwert“ und „Relevanz“ auf. Je nachdem, was deine Zielgruppe interessiert, kann die Bewertung dessen, was wichtig oder interessant erscheint, sehr unterschiedlich sein. Mach dir also immer bewusst, an wen sich deine Inhalte richten, und entscheide dann, ob etwas für sie relevant ist. In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, wie du deine „News“ gestalten möchtest, also wie du sie interessant gestaltest.
Walter von La Roche äußert sich in seinem Standardwerk „Einführung in den praktischen Journalismus“ (19., neu bearbeitete Auflage, 2013) sparsamer:
„Nachricht ist, was sich unterscheidet.“
Genauer:
„Das zu Berichtende muss sich vom Alltäglichen unterscheiden, muss in irgendeiner Hinsicht ungewöhnlich oder neu sein.“
Das lässt viel Raum für Interpretationen. Es gibt dir aber auch die Freiheit, in deinem Blog einen ganz eigenen Blick zu entwickeln und deine persönlichen Schwerpunkte zu setzen.
Inhalte recherchieren und Quellen prüfen
Das Wort „Recherche“ stammt aus dem Französischen. Übersetzt heißt es nichts anderes als „Untersuchung, Nachsuchung, Aufsuchung, Nachforschung“. Es beschreibt also sehr genau, worauf es bei einer guten Recherche ankommt: Nicht unkritisch andere Inhalte übernehmen, sondern sie auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen.
Zunächst einmal bietet es sich an, an dieser Stelle zwischen einer Meinungsäußerung und einer Tatsachenbehauptung genau zu unterscheiden. Um den Unterschied zu verstehen, hilft uns Wikipedia weiter:
„Eine Tatsachenbehauptung bezieht sich auf objektive Umstände in der Wirklichkeit, die dem Beweis vor einem Gericht zugänglich sind, also etwa durch Urkunden, Zeugen oder Sachverständige bestätigt oder widerlegt werden können.“
Allein die Behauptung „Is’n Fakt!“ reicht also nicht aus. Idealerweise gibt es für sachliche Äußerungen, die du in einem Artikel schreibst, Belege. Dies können wissenschaftliche Studien oder – wie häufig hier auf bloggerabc – Aussagen anderer Fachleute sein. Mein Tipp: Prüfe immer nach, ob es für deine Behauptung eine vertrauensvolle Quelle gibt.
Unvoreingenommen an die Sache herangehen
In der Wissenschaft spielt aber noch ein weiterer Begriff eine Rolle: die Falsifizierbarkeit. Damit ist die Eigenschaft einer Hypothese oder Theorie gemeint, empirisch widerlegbar zu sein. Wer voreingenommen an einen Sachverhalt herangeht, läuft Gefahr, sich neuen Erkenntnissen zu verschließen. Allein deswegen, weil er andere Antworten und Lösungsmöglichkeiten gar nicht in seine Überlegungen einbezieht. Falsifizierbarkeit halte ich im sachbezogenen Kontext, zum Beispiel auf Kommunikationsblogs wie diesem hier, für sehr wichtig.
Signalisierst du Lernbereitschaft und stellst dich den Argumenten anderer, so unterstreicht dies deinen professionellen Ansatz. Natürlich sind auch Meinungsäußerungen in Blogs angebracht. Bücherblogs, auf denen Rezensionen erscheinen, oder Produkttestblogs leben oft von dem persönlichen Ton und einem abschließenden Urteil, das bei allen sachlichen Argumenten auch die Meinung des Autors transportiert. Meinungsäußerungen sollten, so die Vorgabe im journalistischen Kontext, immer als solche auch gekennzeichnet sein. Dies kann zum Beispiel in Form von Ich-Botschaften geschehen.
Transparent bleiben
Je genauer du die Tatsachenbehauptungen und Meinungsäußerungen in deinen Texten trennst, desto transparenter erscheinst du deinen Lesern. Auch das ist ein Zeichen von Professionalität. Ein weiteres Werkzeug, um Transparenz zu erreichen, ist das Offenlegen deiner Quellen. Daniela hat in ihrem Artikel über Content Curation einige Argumente zusammengefasst, die dir verdeutlichen, warum dies wichtig ist. Ich will dir ein Beispiel geben:
Das neue Online-Medium für Konstruktiven Journalismus „Perspective Daily“, das ich als Teil des Teams unterstütze, legt besonderen Wert auf Transparenz. Zwei Features im Text helfen dir als Leser, die Argumentation im Text noch besser nachvollziehen zu können. Zum einen gibt es ausklappbare Zusatzinformationen, die so aussehen:
Zum anderen werden dir auf dem PC seitlich des Textes alle Quellen angezeigt, die in dem Artikel eine Rolle spielen:
Dadurch hast du die Möglichkeit, die Quellenlage bei Interesse zu prüfen und dich noch genauer in das jeweilige Thema einzuarbeiten. Das Team von Perspective Daily schafft also nicht nur für die Urheber der Quellen einen Mehrwert, sondern stets auch für den Leser. Hier findet Kommunikation im Netz auf Augenhöhe statt. Und das ist es doch, was wir uns als Blogger letztlich wünschen.
Edda Klepp ist freiberufliche Autorin, Online Marketerin und ein großer Schildkrötenfan. Schreiben ist ihre Leidenschaft. Und so verfasst sie „Töfte Texte“ für Kulturschaffende, Institutionen, Unternehmen, private Webseiten und Blogs.
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Hallo Edda,
Wow! … der Artikel ist toll!
Mir gefällt der objektive Einblick in ein häufig sehr emotional geführtes Thema.
Die vielen Zitate runden den Text ab!
Gefällt mir! Danke 🙂
Hallo Mathias,
vielen Dank, das freut mich wirklich sehr. 🙂
Töfte Grüße,
Edda